Der Widerstand gegen TTIP wächst
Februar 24, 2015 5:00 pmDer Widerstand gegen TTIP wächst
Jahrelang liefen die Verhandlungen zwischen der EU und den Vertretern der US-Regierung hinter verschlossenen Türen – und kaum einen hat es interessiert. Nun aber wächst die Kritik an dem Transatlantischen Freihandelsabkommen. Gerade trafen sich in Berlin Wirtschaftsvertreter und die SPD zu zwei Kongressen. Und die Gegner demonstrierten vor den Türen.
Anfang 2013 kündigte Barack Obama Verhandlungen mit der EU an. Damals nahm jedoch kaum jemand Notiz davon. Und ohnehin hat sich die Öffentlichkeit bisher selten für Handelsabkommen interessiert. Daher konnten die Parlamentarier monatelang ungestört verhandeln. Erst Anfang 2014 kam das Thema TTIP langsam in der Öffentlichkeit an. Und heute hört man an jeder Ecke Kritik. Parteien und Pro-TTIP-Organisationen organisieren Tagungen und Konferenzen, die Gegner Demonstrationen.
Parteiübergreifender Widerstand gegen TTIP
Die Berichte über undemokratische Schiedsgerichte und Chlorhühnchen häufen sich und beinahe jede Nicht-Regierungsorganisation von Attac bis Greenpeace äußert ihren Unmut zum Handelsabkommen. In Berlin muss Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel nicht nur Bürgerinnen und Bürger überzeugen, sondern auch seine eigene Partei. Und auch auf der Straße formiert sich Protest; besorgte Bürgerinnen und Bürger schließen sich zu Initiativen zusammen und organisieren Demonstrationen und Unterschriftenaktionen.
Der Widerstand gegen TTIP ist mittlerweile parteiübergreifend. 1,5 Millionen Menschen haben bei Unterschriftenaktionen gegen TTIP unterschrieben, die meisten aus Deutschland, Österreich und Großbritannien. Überall wächst bei Organisationen, aber auch bei normalen Bürgern die Angst vor dem Handelsabkommen mit den USA. Und dabei ist der genaue Inhalt bislang noch nicht einmal bekannt, da die europäischen und amerikanischen Unterhändler kaum Details an die Öffentlichkeit dringen lassen. Industrie und Politik versprechen sich mehr Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum, einheitliche transatlantische Vorgaben und mehr Flexibilität von TTIP. Über TTIP wird wohl noch bis 2016 verhandelt, während CETA, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, schon fast ausgehandelt ist und wohl noch 2015 endgültig abgeschlossen wird.
In keinem anderen EU-Land ist TTIP so unbeliebt wie in Deutschland. Laut einer emnid-Umfrage befürworten nur 39 % der Deutschen das Abkommen. Im Oktober waren es noch 48 %. TTIP wirkt sich auf viele Lebensbereiche aus und viele Verbraucher fühlen sich direkt betroffen. Deutschland spielt eine Schlüsselrolle bei den Verhandlungen. Außerdem gelten Angela Merkel und Sigmar Gabriel als vehemente Befürworter von TTIP. Gabriel versucht immer wieder, die Wogen zu glätten, kritisiert aber auch die TTIP-Gegner scharf. Er fordert die amerikanische Seite zu mehr Transparenz auf und schlägt statt der umstrittenen Schiedsgerichte einen Handelsgerichtshof mit professionellen Richtern vor.
Wirtschaftsminister Gabriel warnt sogar von einem wirtschaftlichen Abstieg Europas, falls das Abkommen scheitert. Außerdem würde dann der asiatische Markt erstarken. Er sieht die Vorteile des Abkommens im Wirtschaftswachstum und hohen Standards für den Handel. Seiner Meinung nach kommen wieder Chlorhühnchen noch gentechnisch veränderte Nahrung nach Deutschland. Gabriel wünscht sich eine offene Debatte, ohne TTIP zu verteufeln.
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Lohnt sich TTIP für Europa?
Vielleicht wird in der Öffentlichkeit auch zu viel über Chlorhühnchen und andere Ängste gesprochen. Kann TTIP nicht auch positiv für Europa sein? Von Vorteil ist, dass einfachere Regelungen für Zölle und andere Handelshemmnisse vorgesehen sind. Das könnte gerade dem Mittelstand Vorteile bringen. In Bezug auf Verbraucherstandards gelten in den USA bei manchen Produkten strengere Regeln, als in Europa. Das berühmte „Chlorhühnchen“ mag zwar deutschen Verbrauchern Angst machen, ist aber letztendlich wenig relevant. Im Übrigen ist es nicht ungewöhnlich, das Verhandlungen über Abkommen im Geheimen stattfinden, sondern eher die Regel. Mittlerweile bemühen sich beide Seiten über mehr Informationen nach den Gesprächen.
Außerdem gibt es die umstrittenen Schiedsgerichte in gewisser Form schon jetzt. Sie können zwar keine Gesetzte verhindern, aber aufgrund anderer Abkommen Schadensersatz zusprechen. Ein wichtiger Aspekt bei TTIP ist der Investorenschutz. Es gibt bereits Abkommen zum Investorenschutz und TTIP bietet nun die Möglichkeit, diese zu überarbeiten.
Wie geht es mit TTIP weiter?
Das EU-Parlament erarbeitet gerade einen Zwischenbericht, in dem Empfehlungen zur weiteren Verhandlung an die EU-Kommission gegeben werden. Insgesamt sind 14 EU-Ausschüsse beteiligt. Elf von ihnen diskutieren in diese Woche noch einmal über TTIP oder entwickeln eine Stellungnahme. Letztendlich ist der Ausschuss für Internationalen Handel für den Zwischenbericht verantwortlich. Noch vor dem Sommer soll dann über den Bericht abgestimmt werden. Und auch die Fraktionen werden ihrerseits über den Entwurf diskutieren. Da sich TTIP auf verschiedene Politikbereiche auswirkt, müssen 13 Ausschüsse eine Stellungnahme abgeben. Auch dies zeigt, wie kompliziert das Freihandelsabkommen ist.
Vielleicht braucht es auch nur etwas Geduld und Transparenz, um Ängste und Vorurteile abzubauen. Und eine breite Diskussion auf verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Ebenen. Daraus können Vorschläge entstehen, um TTIP weiter zu verbessern.