Theorie und Praxis – Jede neue Idee vorher testen!
August 8, 2018 8:00 amJede Handelsidee sollte man testen
Jeder professionelle Trader kennt das. Plötzlich hat man eine Eingebung für eine grandiose Handelsidee. Sie ist sogar so gut, dass sich kurzfristig Euphorie einstellt. Umso größer ist die Enttäuschung, wenn sich nach einem Test die Handelsidee als unprofitabel herausstellt. Man könnte jetzt annehmen, dass die Idee vielleicht doch nicht so gut war. Doch das muss nicht zwingend so sein, denn die Profitabilität hängt von mehreren Kriterien ab. Manchmal ist es nur die Handelsfrequenz. Entstehen im System zu viele Signale, dann kann aus der guten Handelsidee etwas Negatives werden. Ganz einfach, weil die Handelskosten zu hoch sind.
Es gibt praktisch kein Handelssystem, das im Vergleich zu seinen Backtest-Ergebnissen in der Praxis höhere Handelsgewinne offenbart. Die Realität ist oft demoralisierend. Ursache dafür sind die chaotischen Kursbewegungen des Marktes. Überall entstehen Ungenauigkeiten und Unberechenbares.
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Der Zufall wird von den meisten Tradern unterschätzt
Ein Markt ist grundsätzlich nicht linear. Man kann eine Kursbewegung nicht einfach in die Zukunft projizieren. Der Markt verändert sich dynamisch. In einem Backtest geht der Programmierer jedoch immer davon aus, dass das System linear wäre – und wo kleine Probleme auch nur kleine Wirkungen erzeugen. Tatsächlich kann aber ein theoretisch kleines Problem, in der Praxis ein großes Problem sein. So kommt es zum Beispiel, dass gute Handelssysteme auf Wochenbasis positive Ergebnisse hervorbringen, und als Anwendung im Intraday-Handel katastrophal sind.
Es ist einfach die „normale“ Ungenauigkeit des Marktes, die uns Probleme bereitet. Ein Beispiel: Ein seriös berechneter Stoppkurs im Tageshandel, kann intraday völlig untauglich sein. Dort, wo im Backtest der Stopp hält, wird in einen niedrigen Zeitrahmen der Stopp locker erreicht. Wir können uns also niemals auf gute Backtests verlassen. Es gibt keinerlei verlässliche Sicherheit, wenn wir Rückschlüsse von der Theorie zur Praxis vornehmen.
Ein Backtest muss zwangsläufig fehlerhaft sein, denn schon die Positionsgröße verändert alles. Kauft man in einem Terminmarkt eine Position mit einen Kontrakt oder 100 Kontrakte, so verändert sich das Handelsergebnis radikal. Mit einen Kontrakt kann der Handel positiv sein, während 100 Kontrakte ein negatives Ergebnis bringen.
Nun könnte man provokant annehmen, dass sich Backtests nicht lohnen, und dass man es auch unterlassen könnte. Diese Ansicht wäre zu kurz gedacht. Backtests sind die preiswerteste Möglichkeit, um an hochwertiges Börsenwissen heranzukommen. Ohne Backtests erhöhen wir das Handelsrisiko und mindern unser Selbstvertrauen, weil wir im Dunkeln tappen. Deshalb haben Backtests eine Existenzberechtigung. Man darf sie nur nicht überbewerten.
Wie kann man das Problem der ungenauen Backtests beheben?
Kurz gesagt: Es geht nicht! Wenn man Ursache und Wirkung nicht systematisch zuordnen kann, gibt es keine Möglichkeit zur Problemlösung. So gesehen sind Backtests nur eine Annäherung an die Realität.
Einen Ansatz gibt es in der Vermeidung zu häufiger Signale. Je kleiner die Zeitskala (Timeframe) des Tradings ist, desto höher wird die Fehlerwahrscheinlichkeit. Besonders bei Trading-Anfängern ist zu beobachten, dass sie unbedingt ein System auf 1- oder 5-Minutenbasis aufbauen möchten. Manchmal sogar noch auf Tick-Basis. Vermutlich enthalten die Systeme dann noch enge Stopps, damit das Chance-Risiko-Verhältnis hoch gehalten wird. Solche Handelssysteme sind nahezu ausnahmslos zum Scheitern verurteilt. Sie erzeugen nur Frustration und Enttäuschung.
Die meisten Trader-Coaches empfehlen nur solche Trades, die ein hohes Chance-Risiko-Verhältnis von 1 zu 2 oder 1 zu 3 haben. Das klingt gut, diese Trades gibt es aber nur sehr selten. Sie stehen im Widerspruch zum Wunsch der hohen Handelsfrequenz der meisten Trader-Novizen.
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Die richtige Zeitskala auswählen
Eine Faustformel für die Systementwicklung besagt, dass die Range eines Marktes innerhalb eines definierten Zeitraumes durch die Anzahl der vom System in dieser Zeit erzeugten Trades geteilt werden sollte. Beispiel: Der Markt zeigt innerhalb eines Jahres eine Range von 500 Punkten. Bei einer Handelsfrequenz von 250 Signalen, ergibt dies einen potentiellen 2-Punktegewinn je Trade. Den Punktegewinn halbiert man dann sicherheitshalber noch einmal, und erhält so eine zu erwartende Performance von 1 Punkt pro Trade. Ganz klar, unter dieser Voraussetzung ist es unmöglich, profitabel zu sein.
Bei einer 500 Punkte-Range wäre es sinnvoll ein System zu entwickeln, das maximal 50 Trades in dem Zeitraum erzeugt. Somit ergibt sich ein theoretischer Gewinn von 10 Punkte.
Backtests sollte man schlecht rechnen
Um realistische Testergebnisse zu erzielen, darf man verschiedene Maßnahmen einberechnen. Man sollte sie sogar bewusst schlecht rechnen. So könnte man zum Beispiel, einem Trade, der sich auf einen Punkt dem Stop-Loss nähert, ihn als ausgestoppt ansehen. Alternativ könnte man 50 % der Trades, bei denen sich der Kurs bis auf zwei Punkte an den Stopp annähert, ebenfalls als ausgestoppt bewerten.
Testergebnisse sind niemals so präzise, wie sie erscheinen. Die Theorie und Praxis entfernt sich umso mehr, je kleiner die gewählte Zeitskala ist. Tendenziell gilt für einen Backtests: Je kleiner die Zeitskala, desto schlechter das Handelsergebnis.
Das reale Trading verändert immer die Ausgangsbedingungen. Man sollte daher nach Möglichkeiten suchen, die Testergebnisse systematisch schlechter zu rechnen. Sollte nach dem „Schlechtrechnen“ immer noch eine positive Performance übrig bleiben, kann das Handelssystem durchaus wertvoll sein.