Schwarzer Tag an der chinesischen Börse

Juli 8, 2015 5:00 pm

Die chinesische Börse erlebte gestern den stärksten Kursrutsch seit acht Jahren: Trotz massiver staatlicher Eingriffe brach der Leitindex in Shanghai stark ein. Er lag bei Handelsbeginn am Mittwoch bis zu 8,2 Prozent im Minus. Die Börse in Shenzhen lag zu Handelsbeginn fast fünf Prozent unter dem Vortagswert. Die zuständige chinesische Aufsichtsbehörde spricht sogar von einer Panikstimmung.
Als Reaktion auf diesen enormen Kursrutsch wurden die Aktien von über 1.3000 Firmen vom Handel ausgesetzt. Damit konnten 2,6 Billionen Dollar nicht gehandelt werden, was 40 Prozent des gesamten chinesischen Börsenkapitals entspricht. Die Notenbank wird die Entwicklungen im Auge behalten und gegebenenfalls Stabilisierungsmaßnahmen einleiten.

Verluste auch in Tokio

Der Kursrutsch in Shanghai, Shenzhen und Hongkong brachte auch der Börse in Tokio Verluste. Hier spielt auch die Griechenland-Krise eine Rolle, während der chinesische Markt weitgehend abgeschottet ist. Nur in Hongkong macht man sich Sorgen, wie es in Europa weitergeht. In Japan fiel der Nikkei-Index um 638,95 Punkte und fiel damit um 3,14 Prozent ins Minus. Zum ersten Mal seit Mitte Mai lag der Nikkei bei Börsenschluss unter 20.000 Punkten. Der breit gefasste Topix-Index verlor ebenfalls 3,34 Prozent.

Folge des Aktienbooms

08.07.2015_2012_Pudong

Sonderwirtschaftszone Pudong in Shanghai , „2012 Pudong“ von J. Patrick Fischer – Eigenes Werk

In China haben die Indizes seit Mitte Juni mehr als ein Drittel ihres Werts verloren. Dies ist eine Folge des spekulativen und oft kreditfinanzierten Aktienbooms der vergangenen Monate. Das diese Blase irgendwann platzt, war nur eine Frage der Zeit. In China brach vor kurzem ein wahrer Aktienboom aus und Profis und Anfänger trafen sich plötzlich an der Börse. Bis Anfang Juni erlebte die chinesische Börse ein Hoch von 3.415 Prozent Plus in nur zehn Wochen.
Anfang Juni boomte beispielsweise die Aktie von Beijing Baofeng Technology, einem Anbieter für Onlinevideos. In den ersten 28 Tagen nach Börsenstart stieg das Papier jeden Tag um zehn Prozent, der staatlich erlaubte Höchstwert in China. Dieser Höhenflug machte selbst dem Management Angst, dass dazu aufrief, rational zu investieren und auf Risiken zu achten. Dann fiel die Aktie innerhalb von 48 um fast neun Prozent, nachdem sie in den Tagen davor schon auf Tiefflug war. In der folgenden Handelswoche legte das Papier wieder um 5,5 Prozent zu.
Seit Juli 2014 stiegen die Kurse in Shanghai, den wichtigsten Handelsplatz des kommunistischen Riesenreichs, um mehr als 130 Prozent. An der Börse von Shenzhen, die etwas technologielastiger ist, haben sich die Kurse innerhalb eines Jahres fast verdreifacht. Derzeit ist das Handelsvolumen in China an manchen Tagen viermal so hoch wie an der Wall Street. Und jede Woche werden zwischen drei und viereinhalb Millionen neue Depots eröffnet.
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Volkssport Aktienhandel

Aktien kaufen hat sich in China in den letzten Monaten zum Volkssport entwickelt und jeder macht mit, vom Profi-Spekulanten bis zum Rentner. Das US-Wirtschaftsmagazin „The Economist“ taufte den chinesischen Aktienmarkt schon „Crazy Casino“. Laut einer Untersuchung der Universität für Finanzwesen und Wirtschaft Südwestchinas haben über zwei Drittel der neuen Spekulanten ihre Schullaufbahn von dem 16. Geburtstag beendet. Die privaten Investoren haben wohl vor allem kurzfristige Gewinne als Ziel. Außerdem wuchs der Anteil der Aktienkäufe auf Kredit.
Früher haben viele Chinesen, vor allem in der Mittelschicht, ihre Ersparnisse für das Rentenalter vor allem in Immobilien oder Anleihen investiert. Dies scheint sich zu ändern. Außerdem wächst das Misstrauen gegen diese beiden Anlageformen. Der Wohnungsmarkt ist überhitzt und beginnt zu schwächeln und auch bei öffentlichen Schuldpapiere sind Immobilien als Sicherheit hinterlegt. Die Menschen haben Angst, dass es bei den Anleihen zu Zahlungsausfällen kommen kann. Daher sehen die Chinesen nun in Aktien eine Alternative.

Schlechte Stimmung seit Anfang Juni

Anfang Juni begann sich die Stimmung an Chinas Börsenplätzen etwas einzutrüben. So verlor der Leitindex in Shanghai sechs Prozent in wenigen Stunden und vernichtete 550 Milliarden US-Dollar. Aber am nächsten Tag ging es wieder nach oben. Dennoch wuchs die Sorge bei Anlegern und Börsenexperten, dass der große Crash nicht lange auf sich warten lässt.
Normalerweise deuten sprunghafte Kurssteigerungen am Kapitalmarkt auf einen Boom der Realwirtschaft hin. In China sinkt das Wirtschaftswachstum jedoch erstmals seit Jahren wieder. Die Exporte des Landes gehen zurück, weniger Kohle und andere Rohstoffe werden importiert. Daher hat die Zentralbank in Peking seit November 2014 bereist dreimal den Leitzins gesenkt. Das Ziel war es, die Konjunktur anzukurbeln und Investitionen günstiger zu machen. Dies brachte jedoch noch mehr Geld auf den Markt, das angelegt werden konnte.
Die chinesische Regierung will sicher ein Szenario wie 2007 vermeiden, als der Aktienmarkt nach einer wahren Kursrallye innerhalb von wenigen Monaten um 70 Prozent einbrach. Wenn sich der Crash in diesem Jahr ebenso stark auswirkt, würden Millionen Anleger auf einen Schlag verarmen. Dies würde die private Konjunktur in China weiter schwächen und sich auch auf Lieferanten aus aller Welt auswirken.