Merkel-Plädoyer für TTIP – Kritik am Freihandelsabkommen von allen Seiten!
Juni 1, 2015 5:00 pmIn ihrem wöchentlichen Video-Podcast positionierte sich Kanzlerin Angela Merkel klar für das geplante TTIP-Abkommen mit den USA und verteidigte das Freihandelsabkommen gegen Kritik. Sie stellte die Vorteile heraus und betonte, dass man mit dem pazifischen Freihandel Schritt halten muss. Bei den besonders umstrittenen Schiedsgerichten sieht aber auch die Kanzlerin noch Handlungsbedarf.
Umstrittene Schiedsgerichte
Wie man an Freihandelsabkommen mit anderen Staaten wie Südkorea sehe, könne ein Vorteil von TTIP sein, dass Arbeitsplätze – gerade in Deutschland – geschaffen werden. Zudem sieht Angela Merkel einen großen Nutzen für den Warenaustausch. Sie stellt allerdings auch die Frage, ob die geplanten Schiedsgerichte notwendig sind. Deutsche Unternehmen hätten mit Schiedsgerichten beim Handel mit Staaten, deren Rechtsstaat nicht ausreichend ausgebildet ist, gute Erfahrungen gemacht. Dies trifft jedoch auf die USA nicht zu. Die USA wie auch die europäischen Länder verfügen über ein gut ausgebildetes rechtliches System. Daher sieht auch Angela Merkel die Problematik und fragt: „Wie können wir die Schiedsgerichtsbarkeit besser ausgestalten?“.
Auch wenn die Frage nach den Schiedsgerichten noch nicht endgültig entschieden ist, sagte Merkel kürzlich in einem Interview, dass es im Interesse der Arbeitsplätze in Deutschland und des Wohlstands wichtig sei, den Handel mit den USA zu fördern. Sie versteht aber auch die TTIP-Gegner, die befürchten, dass soziale und ökologische Standards unter dem Abkommen leiden werden. Sie versicherte, dass es ihr darum gehe, diese Standards zu halten. TTIP sei aber nicht der Ansatz, um die Standards weiter zu erhöhen. Kritiker befürchten, dass bei Fragen hinsichtlich des Umwelt- und Verbraucherschutzes der normale rechtliche Weg umgangen wird.
Skepsis in Deutschland
Aller Beruhigungsversuche der Kanzlerin und ihres Wirtschaftsministers zum Trotz stößt TTIP bei den Deutschen auf Skepsis oder gar Ratlosigkeit. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS im Auftrag des „Spiegel“ findet ein Drittel der Deutschen, dass TTIP eine „schlechte Sache“ sei. 46 Prozent sagten, dass sie das geplante Abkommen „nicht beurteilen“ können und nur 18 Prozent sehen TTIP positiv. Der Grund für diese breite Ablehnung sehen die meisten Befragten in den Regelungen zu Umwelt-, Verbraucher und Arbeitnehmerrechten. 42 Prozent der Befragten TTIP-Gegner fürchten, dass europäische Standard aufgeweicht werden.
Kritik auch aus Österreich
Neben Deutschland kommt die Kritik an TTIP vor allem aus Österreich. Dort formiert sich immer breiterer Widerstand. Hier liegt einer der Hauptkritikpunkte beim Investitionsschutz und EU-Handelskommissarin Malmström steht im Zentrum der Kritik. Kürzlich schlug sie einen neuen Investionsschutz vor, der vorsah, einen internationalen Gerichtshof für Investitionen anstelle der privaten Schiedsgerichte zu schaffen.
Kritiker sehen in einem solchen Gerichtshof aber lediglich eine kosmetische Verbesserung. Der Kern, dass transnationalen Konzern und Investoren ein Sonderklagerecht zugestanden wird und sie damit direkt in Gesetze und rechtliche Vorgaben eingreifen können, bleibe bestehen. Diese Sonderstellung würde es internationalen Investoren, Konzernen und Banken in Zukunft ermöglichen, auf Schadensersatz zu klagen, wenn nationale Gesetze ihre Gewinnerwartungen senken.
Die TTIP-Gegner befürchten, dass es aber nicht nur zu Schadensersatzzahlungen kommen wird, sondern dass Unternehmen direkt in das Gesetzgebungsverfahren eingreifen werden. Sie können präventiv gegen unbequeme Gesetze vorgehen und beispielsweise Klagen androhen. Diese Praxis ist aufgrund bestehender Handels- und Investitionsabkommen jedoch vielerorts bereits üblich. Man befürchtet nun aber, dass mit dem Sonderklagerecht Banken und Investoren die Regeln eines Rechtsstaats zu ihren Gunsten aushebeln.
Ein weiterer Kritikpunkt hierbei ist, dass Investoren nur Rechte, keine Pflichten wie die Einhaltung von Arbeitnehmerrechten haben. Und auch für die Staaten ihrerseits ist kein Klagerecht vorgesehen. Zudem ist es nicht möglich – wie in anderen EU-Handelsabkommen – das Abkommen einseitig auszusetzen, etwa bei einem Verstoß gegen die ILO-Normen zu internationalen Arbeitsstandards.
Darüber hinaus würde ein internationaler Handelsgerichtshof nur mittelfristig installiert werden könne, also nach Abschluss des TTIP-Abkommens. Dieser Vorschlag stößt derzeit weder bei der EU-Kommission, noch in den USA auf Zustimmung.
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Kritik aus den USA
Zuletzt mehrten sich auch auf der anderen Seite des Atlantiks scharfe Stimmen gegen TTIP. Während US-Präsident Barack Obama auf einen Abschluss drängt, formiert sich dort eine Opposition gegen TTIP. Aufgerechnet seine eigenen Parteikollegen verwehrten ihm die Zustimmung für die sogenannte „Trade Promotion Authority“ oder „Fast-track-authority“, ein beschleunigtes Verhandlungsmandat für den Abschluss von Handelsabkommen.
Die Demokraten sehen vor allem eine Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland kritisch und verlangen höhere Strafen für Länder, die sich mit einer künstlich niedrigen Währung Handelsvorteile schaffen. Der Gesetzentwurf liegt damit in den USA zunächst auf Eis.
Resolution im EU-Handelsausschuss
In der vergangenen Woche stimmte das EU-Parlament über einen Resolutionstext zum TTIP-Abkommen ab. Am 10. Juni wird im Plenum über das Dokument abgestimmt. Der EU-Handelsausschuss ignoriert allerdings jegliche Bedenken des Umweltausschusses und befürwortet für die Sonderklagerechte für Konzerne. Dabei mehr sich auch im EU-Parlament Kritik an TTIP.
In der Resolution wurden mehrere Teilbereiche von TTIP thematisiert. Das Ziel war es, die Rechte der EU und der Einzelstaaten durchzusetzen und Regulierungen zum Umwelt- und Verbraucherschutz sicherzustellen. Kritiker haben das Gefühl, dass dem Handelsausschuss Handels- und Konzerninteressen wichtiger sind, als der Schutz der Bürger.