Griechenland: Zahlungsunfähigkeit droht

Mai 12, 2015 5:00 pm

Griechenland hat einen seiner IWF-Kredite schneller als geplant getilgt. Außerdem liegen neue Reformpläne aus Athen vor. Dennoch droht die Staatspleite mehr denn je.
Bei der gestrigen Pressekonferenz in Brüssel verkündete Europgruppenchef Dijsselbloem, dass die Euro-Finanzminister die Fortschritte in den Verhandlungen gewürdigt haben. Eine Neuorganisation habe zu effizienteren Verhandlungen geführt. Dennoch: Geld von der EU gibt es für Griechenland nur, wenn das zweite Hilfsprogramm erfolgreich abgeschlossen wurde und die Einigung von Ende Februar umgesetzt wird.
Konkret heißt das, dass Griechenland einen noch detaillierteren Reformplan vorlegen und Renten- und Arbeitsreformen angehen muss. Erst, wenn sich alle Beteiligten auf umfassende Reformen geeinigt haben, erhält Griechenland die ausstehenden 7,2 Milliarden Euro.

Bemühungen aus Athen

Athen hat das Geld bereits überwiesen

Athen hat das Geld bereits überwiesen, Quelle:Pixbay.com


Das griechische Finanzministerium gab am Montag bekannt, dass man die fälligen 750 Millionen Euro an den IWF schon einen Tag vor Fälligkeit angewiesen habe. Im Vorfeld war spekuliert worden, ob Griechenland die Rate überhaupt zahlen kann. Nun ist offen, ob Griechenland am Monatsende genügend finanzielle Mittel hat, um Löhne und Gehälter zu zahlen.
Zudem hat sich die Arbeitsatmosphäre bei den Verhandlungen gebessert. So gab es vor dem Treffen ein langes Gespräch zwischen Finanzminister Schäuble und seinem griechischen Kollegen Giannis Varoufakis.

Griechische Staatsanleihen beliebt

Trotz der schwierigen Verhandlungen und einem möglichen Staatsbankrott finden sich weiterhin Käufer für griechische Staatsanleihen. Waghalsige und optimistische Anleger investieren noch immer in griechische Wertpapiere.
Niemand weiß genau, wie es wirklich um Griechenland steht und wie es weiter geht. Stefan Winter, der Vorstandschef des Verbandes der Auslandsbanken in Deutschland, sagte, dass er in den nächsten zwei Wochen eine klare Position erwarte, wie es in Griechenland weiter gehe. Banker und Investoren machen sich aber weniger Gedanken um das Land selbst, sondern fragen sich auch, wie es mit Spanien, Italien, Irland und Portugal weiter gehen würden, wenn es zu einem Grexit kommt.
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Vier Investorengruppen interessieren sich weiter für griechische Anleihen: Pessimisten, Optimisten, Waghalsige und Verweigerer. Pessimistische Anleger wie Union Investment sind schon lange raus aus Griechenland und sagen, dass die Situation nicht besser wird. Die Chancen für einen Austritt aus dem Euro stehen 50:50; für sie sind die Risiken einfach zu groß. Für Ulrich Kater, den Chef-Volkswirt der Deka, sind griechische Wertpapiere eine Wette auf die Einigung Griechenlands mit der Eurogruppe im Schuldenstreit. Daher sind im privaten Sektor griechische Anleihen nur noch in Händen derjenigen, die mit Verlusten umgehen können.
Es gibt aber auch Anleger, die fest davon ausgehen, dass Griechenland im Euro bleibt und die die schwierige Lage nicht von Anlagen abhält. So investiert beispielsweise der britische Hedgefonds Adelante seit 2012 in griechische Staatsanleihen. Man hofft weiter auf eine Einigung mit der EU, sieht aber auch, dass sich die Lage immer weiter verschlechtert.
Eine weitere Anlegergruppe hat sich dem Schuldenschnitt einfach verweigert und so 6,5 Milliarden Euro gewonnen. Anleihen, die ihren Rechtsstandort in England, nicht in Griechenland, haben, sind weiter in der Hand einiger gewichtiger Investoren wie Hedgefonds. Sie erhalten dadurch regelmäßig Geld aus Athen. Hier könnte eine ähnliche Situation drohen, wie in Argentinien. Argentinien musste nach einem Rechtsstreit die Investoren, die den Schuldenschnitt nicht akzeptiert haben, voll auszahlen.

Die Zeit wird knapp

Auch Varoufakis bekommt langsam kalte Füsse

Auch Varoufakis bekommt langsam kalte Füsse , Quelle: Presse Bundeszentrale für politische Bildung


Pessimisten oder Optimisten – klar ist, dass bald eine Entscheidung kommen muss, denn Athen läuft die Zeit davon. Sogar Finanzminister Varoufakis spricht davon, dass seinem Land in einigen Wochen die Finanzmittel ausgehen. Die Liquiditätslage Griechenland ist also ein drängendes Problem.
Griechenland muss schon am 5. Juni weitere 302,5 Millionen Euro an den IWF zahlen. Bis August folgen dann weitere 11,5 Milliarden Euro an IWF und EZB. Diese Zahlungen wird Griechenland ohne Hilfe kaum leisen können. Zudem muss das Land Käufer für die Erneuerung kurzfristiger Staatsanleihen über drei und sechs Monate im Gesamtwert von 9,2 Milliarden Euro finden.

Drei Szenarien

Aktuell spielen EU, EZB und IWF drei Negativ-Szenarien durch, wenn Athen seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.
In der ersten Variante geht man davon aus, dass die griechische Regierung zwar reformwillig ist, aber ihre finanziellen Reserven überschätzen.
Im zweite Szenario legen die Griechen eher halbherzige Vorschläge vor, die von der EU nicht akzeptiert werden. Zudem kann das Land seine Schulden bei IWF und EZB nicht mehr tilgen. Dieses Szenario ließe sich jedoch noch in den Griff bekommen, wenn Griechenland Reformvereinbarungen mit der EU abschließt und sich kooperativ zeigt.
Die dritte Variante spiegelt wohl das „Worst-Case-Szenario“: Die griechische Regierung zeigt sich vollkommen unkooperativ, bezahlt ihre Angestellten und Rentner in Schuldscheinen und forciert damit praktisch die Einführung einer Parallelwährung.

Drittes Hilfspaket nicht ausgeschlossen

Unterdessen schließt in Deutschland auch die CDU ein drittes Hilfspaket für Griechenland nicht mehr aus. Auch in Berlin werden verschiedene Alternativen und Szenarien von Grexit bis zu einem neuen Hilfspaket durchgespielt. Doch die griechische Regierung hab noch einen weiten Weg vor sich, bis es zu einem neuen Hilfsprogramm kommen kann.
Unterdessen bringt der griechische Premierminister Alexis Tsipras ein Referendum ins Spiel, um das griechische Volk über die Reformen abstimmen zu lassen. Hierfür signalisierte am Montag überraschenderweise auch Wolfgang Schäuble Zustimmung.